Wer an Verhandlungen denkt, hat vielleicht lange Sitzungen an langen Tischen vor Augen. Oder ein Schachspiel und das Ringen um den besten Zug - bis zum Schachmatt. Doch es geht auch anders.
Gehaltsverhandlungen sind der Klassiker. Aber sie sind bei Weitem nicht die einzige Situation im Job, in der Verhandlungsgeschick gefragt ist.
„Manchmal steht das Etikett Verhandlung gar nicht explizit drauf und doch stecken jede Menge Verhandlungen drin“, so André Niedostadek, Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz. Etwa im Projektmanagement, wenn Projektmittel und Zeitpläne koordiniert werden müssen. Aber auch wenn es im Team um Rollenverteilungen oder Arbeitsabläufe geht, hat man es oft mit Verhandlungen zu tun.
Und sogar die Frage, wohin der Betriebsausflug gehen soll, kann in Verhandlungen münden – zumindest wenn nicht alle ähnliche Vorstellungen haben.
Auf Win-Win-Lösungen setzen
„Letztlich ist jede Situation, in der divergierende Sichten aufeinandertreffen und in der eine gemeinsame Entscheidung getroffen werden muss oder soll, eine Verhandlungssituation“, sagt Piroska Gavallér-Rothe, Juristin und Trainerin für Kommunikations- und Konfliktkompetenz.
Wie also vorgehen? „Man kann verschiedene Verhandlungsstrategien nutzen, um erfolgreiche Verhandlungsergebnisse zu erzielen“, so Niedostadek. Doch nicht alle sind im Joballtag gleichermaßen geeignet. Setzt man beispielsweise alles daran, das Maximum für sich selbst herauszuholen, geht das oft zulasten der Beziehungen mit den Verhandlungspartnern, also den Kolleginnen und Kollegen. „Unter der Decke brodelt es dann.“
Stattdessen rät der Mitherausgeber der Publikation „Praxishandbuch Professionelle Mediation“ eine „Win-Win-Lösung“ zu finden. Das klinge zwar ein wenig abgedroschen, so Niedostadek, könne aber gerade in Konfliktverhandlungen effektiv sein. „Zumindest, wenn alle Seiten mitspielen und einer kreativen Lösungssuche nicht abgeneigt sind.“
Für Piroska Gavallér-Rothe gilt generell der Grundsatz: „Verhandlungsergebnisse sind nur dann wirklich gut, wenn sie die Interessen aller Beteiligten abbilden.“
Die Autorin („Wertschätzend Klartext reden“) rät, sich von den Vorstellungen, sich durchsetzen zu müssen oder clevere Schachzüge zu planen, zu verabschieden. Denn das gehe oft mit einem gewissen „Hab-Acht-Modus“ einher. Sinnvoller sei es, „Vereinbarungsgespräche“ im Kopf zu haben, so Gavallér-Rothe. „Wenn ich die Idee habe, wir wollen eine synergetische Entscheidung finden, die gut ist für Sie und gut ist für mich, habe ich eine ganz andere Haltung.“
Gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Entscheidend ist, vorbereitet in Verhandlungen gehen. Denn wer gar nicht weiß, um was es eigentlich geht, spielt auch mit der Zeit der Kolleginnen und Kollegen – keine gute Ausgangsposition. Vorab sollte man also klären: Hat man alle Fakten und Informationen beisammen? Und wenn nicht, woher kann man sie bekommen?
Für Niedostadek außerdem wichtig: Die eigenen Ziele und Prioritäten kennen, vor allem die eigene „untere Grenze“, also das Minimalziel. Die bildet den „Korridor für etwaige Kompromisse“.
Überlegen sollte man sich außerdem: „Was kann ich in die Waagschale werfen? Spielen Argumente eine Rolle und wenn ja, welche?“, so der Experte für Verhandlungsführung und Konfliktlösung. Auch die denkbaren Szenarien lassen sich überlegen. Und eine Antwort auf die Frage: Wie wichtig ist mir ein Ergebnis? Habe ich eine Alternative?
Eigene Bedürfnisse kennen
Piroska Gavallér-Rothe rät eher davon ab, mit festen Minimal- und Maximalforderungen in Verhandlungen zu gehen. „Vorgefertigte Verhandlungsstrategien vermitteln das Gefühl von Sicherheit: Ich weiß, was ich will, und ich weiß, bis wohin ich Zugeständnisse machen möchte“, so die Kommunikationstrainerin. „Der festgelegte Ergebniskorridor macht aber leicht betriebsblind und man übersieht häufig die Möglichkeiten, die sich aus einem ergebnisoffenen Austausch ergeben.“
Besser: Sich im Vorfeld die eigenen Bedürfnisse hinter den Forderungen bewusst zu machen. Dabei sollte die Frage im Zentrum stehen: „Worum geht es mir im Grunde?“ Bei Gehaltsverhandlungen kann das etwa Anerkennung sein – oder für die eigene Leistung gesehen zu werden. Geht es darum, ob beim Betriebsausflug Wildwasser-Rafting auf dem Plan steht, und man selbst fürchtet sich davor, ist das eigene Bedürfnis vielleicht Sicherheit – und eine entspannte Teilhabe an der Team-Aktivität.
Nur wenn man das wisse, könne man sich vor Verhandlungen sortieren, so Gavallér-Rothe. Und sich überlegen: Wie kann ich das, was mir wichtig ist, klar, verständlich und nachvollziehbar vermitteln?
In den Verhandlungen selbst geht es dann darum, flexibel und kreativ zu sein. Also: Nicht „halsstarrig auf ein bestimmtes Verhandlungsergebnis zu blicken“, so Niedostadek. „Besser ist es, den Blick zu weiten und gegebenenfalls andere Optionen einzubeziehen.“
Kreativ werden
Ist eine Gehaltserhöhung nicht drin, kann das Bedürfnis nach Anerkennung vielleicht auch anderweitig erfüllt werden: Durch mehr freie Zeit bei gleichem Gehalt zum Beispiel oder bewegliche Homeoffice-Tage. Bei der Frage nach dem Betriebsausflug kann man dem eigenen Bedürfnis nach Teilhabe und dem der Kollegen nach einem spannenden Erlebnis vielleicht mit einer ganz neuen Aktivitätsidee begegnen.
„Je kreativer ich bin und je mehr ich schauen kann, wo habe ich andere Spielräume, umso besser finden wir Lösungen, die wirklich stimmig für alle sind“, sagt Gavallér-Rothe.
Dafür muss man sich allerdings in die Perspektive der anderen hineinversetzen: Erkennt man gemeinsame Interessen und Ziele, fällt es leichter, eine Lösung zu finden, die alle zufrieden stellt. Außerdem wichtig: Auch bei Meinungsverschiedenheiten sachlich bleiben. „Was hier hilft sind Klassiker, wie die allseits bekannten Ich-Botschaften anstelle der tatsächlich oft anzutreffenden Du-Botschaften“, so Niedostadek. „Das sind nur minimale Unterschiede, die Wirkung kann aber erheblich sein.“
Außerdem wichtig: So positiv formulieren wie möglich. Geht es um die Neuverteilung von Aufgaben kann man etwa sagen: „Mir ist wichtig, dass jeder aus unserer Abteilung einen Beitrag leistet“, rät Gavallér-Rothe. Besser lassen sollte man hingegen Aussagen wie: „Ich mag es nicht, dass die anderen sich auf meine Kosten ausruhen.“
Eines sollte aber nicht vergessen werden: Berechtigte Anliegen kann man ruhig selbstbewusst vertreten – auch gegenüber Vorgesetzten. „Verhandeln hat nichts mit Bittstellung zu tun“, so Niedostadek. „Das darf und sollte ich mir selbst immer wieder klar machen.“