...kann ein Wettbewerbsvorteil sein

Warum ist ein neuer Blick auf die Generation 55+ notwendig?

Die Debatte um Fachkräftemangel, Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit ist allgegenwärtig. Doch während Politik und Wirtschaft fieberhaft nach Lösungen suchen, bleibt eine Ressource erstaunlich oft ungenutzt: die Generation 55+. Nach Ansicht von Anita Glombik landen ältere Beschäftigte viel zu häufig auf dem Abstellgleis – obwohl sie mit Erfahrung, Loyalität und Kompetenz punkten könnten. Die Beraterin für Altersdiversität will das ändern. Sie unterstützt Unternehmen beim Umdenken und begleitet Menschen, die auch jenseits der 50 noch einmal neu durchstarten wollen.

Frau Glombik, warum tut sich die Wirtschaft oft schwer mit der Generation 55+?

Weil sie noch immer Alter mit Defizit gleichsetzt. Mit Mitte 50 oder Anfang 60 werden Beschäftigte oft aussortiert – durch Abfindungen, Vorruhestandsprogramme oder schlichtes Desinteresse. Das ist paradox: Wer jahrzehntelang Teams geführt, Transformationen begleitet und Krisen gemeistert hat, bringt Kompetenzen mit, die keine Maschine ersetzt. Viele wären voller Energie, noch einmal durchzustarten, aber das System signalisiert: „Du passt nicht mehr.“

Anita Glombik

Die Bundesregierung wirbt mit der Aktivrente dafür, dass Menschen freiwillig länger arbeiten. Kann das etwas ändern?

Die Idee ist gut, die Realität spricht dagegen. Wie soll das funktionieren, wenn Unternehmen gleichzeitig Beschäftigte mit Ende 50 oder Anfang 60 in den Vorruhestand schicken, weil sie angeblich zu teuer oder zu langsam sind? Das ist ein Widerspruch in sich. Solange die Türen in den Unternehmen faktisch geschlossen bleiben, bleibt die Aktivrente eine schöne Theorie. Sie kann nur greifen, wenn Erfahrung als Ressource gesehen wird, wenn altersgemischte Teams selbstverständlich sind und wenn Unternehmen älteren Beschäftigten die Frage stellen: „Was willst du noch bewegen?“. Aus der Antwort darauf ergeben sich ganz praktische Schritte – etwa Weiterbildungsangebote oder das gezielte Öffnen von Aufgabenfeldern, in denen Erfahrung besonders wertvoll ist.

Und was empfehlen Sie Einzelpersonen, die sich mit 55+ fragen, wie es für sie beruflich weitergeht?

Ich rate, die eigene Geschichte nicht von außen schreiben zu lassen. Wer glaubt, dass es „zu spät“ ist, blockiert sich selbst. Es geht darum, Stärken sichtbar zu machen, neue Wege zu denken und sich Unterstützung zu holen. Ich habe selbst erlebt, was es bedeutet, mit Anfang 60 aussortiert zu werden. Für mich war das der Anstoß, meine Erfahrung neu einzusetzen und andere zu begleiten.

Heute unterstütze ich sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen dabei, diesen Wandel aktiv zu gestalten, damit Potenziale nicht ungenutzt bleiben.

Was ist Ihre wichtigste Botschaft an Wirtschaft und Gesellschaft?

Ohne die ältere Generation geht es nicht! Bis 2036 erreichen fast 20 Millionen Erwerbstätige das Rentenalter. Wenn wir diese Menschen außen vor lassen, gefährden wir unsere wirtschaftliche Stabilität. Wenn wir ihre Erfahrung bewusst nutzen, sind wir stark für die Zukunft.

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